Am 12.10.2023 finden abends etwa 40 Menschen den Weg in den großen Bürgersaal des Bürgerzentrums Bornheide zur Teilnahme an der Podiumsdiskussion. Hier mein persönlicher Kurzbericht zur Veranstaltung.
Frieder Bachteler (Moderation, WESTWIND) eröffnete den Abend mit der Begrüßung der Podiumsgäste und der Gäste im Saal. Die Diskutanten sollten zunächst nacheinander kurze Stellungnahmen zum Thema abgeben, danach gibt es Zeit für Fragen aus dem Saal.
Den Auftakt macht Christian Hinkelmann (Journalist, Herausgeber Nahverkehr Hamburg) mit einer munteren Schilderung der von 1973 bis heute gebrochenen politischen Versprechen zur Schienenanbindung des Osdorfer Borns und Lurups an Hamburgs Schienennetz samt deren ständigen langwierigen Planungsänderungen: Erst U-Bahn, Straßenbahn, erneut Straßenbahn, noch mal U-Bahn und jetzt S-Bahn. Er schloss seinen Überblick mit einer zeitlichen Perspektive auf die Fertigstellung der S-Bahn über Lurup und Osdorfer Born nach Schenefeld. Wenn alle vorgelagerten Projekte (Verlegung Fernbahnhof Altona und Verbindungsbahnentlastungstunnel (VET)) planmäßig fertig werden, könnte 2040 eine S-Bahn fahren, wahrscheinlich wäre aber eher 2050.
Ole Thorben Buschhüter (MdHB, SPD) entschuldigt sich zunächst für den jahrelangen Stillstand bei der Schienenanbindung durch die seit 1973 überwiegend von der SPD-geführten Hamburger Senate. Ein „Aber jetzt wollen wir wirklich“, entnimmt man seinen Ausführungen. Er untermauert das mit den laufenden ernst zu nehmenden Planungen für den S-Bahnanschluss des Osdorfer Born und Lurups. Parallel prüfe derzeit die Verkehrsbehörde die zügige Einrichtung eines Hochleistungsbussystems entlang der Stresemannstraße, Bahrenfelder/Luruper Chaussee und Luruper Hauptstraße (StreBaLu), also insgesamt vom Neuen Pferdemarkt bis zum Schenefelder Platz, einzurichten.
In Vertretung für Anjes Tjarks, der aufgrund einer Bundesverkehrsministerkonferenz verhindert ist, spricht Holger Sülberg (Bezirksabgeordneter Altona, Grüne). Auch er sieht die derzeitigen Planungen als verbindliche Vorbereitung für einen S-Bahnanschluss zum Osdorfer Born. Die momentane Trassenplanung, die einen Anschluss an das S-Bahnnetz ab der Station Holstenstraße vorsieht, bezeichnet er als gut, es würden neue Wohngebiete erschlossen werden. Eine Anbindung an den neuen Fernbahnhof Altona-Diebsteich sei wegen der Autobahnquerung nicht möglich, es würden auch zu wenige Menschen in dem Bereich einer derartigen Trasse wohnen. Er hält die Realisierung in 20 Jahren für möglich. Das Hochleistungsbussystem, welches er als gute Zwischenlösung sieht, hält er für bis 2030 realisierbar.
Als letzte Parteienvertreterin betont Heike Sudmann (MdHB, Die Linke) zunächst ihren langjährigen Kontakt zu Gerhard Sadler und den damit verbundenen Kenntnissen über die ÖPNV-Situation vor Ort. Die vorhandenen Busverbindungen seien keine Lösung, stehen die Busse doch regelmäßig im Stau. Auch das derzeit in kleinem Kreis diskutierte Hochleistungsbussystem sei keine Lösung, da keine durchgängige eigene Busspur auf der Gesamtstrecke herzustellen sei. Sie brachte erneut die Straßenbahn in die Diskussion. Diese sei schneller zu realisieren und wäre um ein Vielfaches kostengünstiger als ein U- oder S-Bahn-Tunnel.
Als letzter Podiumsteilnehmer erinnert Jürgen Beeck, Sprecher der Initiative Starten:Bahn West! (StBW), dass im Saal nicht nur Bürgerinnen und Bürger aus dem Osdorfer Born sitzen, sondern auch aus dem abgehängten Stadtteil Lurup und der Stadt Schenefeld. Eine Schienenanbindung sei auch dringlich, weil ab 2040 im neu entstehenden Stadtteil Science City 15.000 Pendlerinnen und Pendler mehr zu erwarten seien. Er benennt als wesentliche Forderungen von StBW: 1. die schnelle Erreichbarkeit von Altona und des Fernbahnhofs, 2. die Herstellung einer redundanten Streckenführung zu VET und City-Tunnel und 3. die zügige Realisierung einer Schienenanbindung unabhängig vom VET.
Im Anschluss an die Statements können die Menschen im Saal ihre Fragen und Sichtweisen einbringen.
In verschiedenen Beiträgen wird deutlich, dass eine sehr schnelle Lösung erwartet und ein erneutes Vertrösten auf den St. Nimmerleinstag nicht mehr akzeptiert wird. Wer auf den Bus angewiesen sei, muss aufgrund der Stauzeiten derzeit besser 1 bis 2 Busse früher nehmen, um das Fahrtziel pünktlich zu erreichen. Für Sonn- und Feiertage sowie am Abend benötige es eine zuverlässigere und enger getaktete Verbindung. Der Verweis auf das Hochleistungsbussystem sei für den Osdorfer Born nicht in Ordnung, da die derzeitig angedachte Linienführung auf der StreBaLu am Osdorfer Born weitläufig vorbei führen würde. Der angedachte Hochleistungsbus wäre vom Born nur mit Umstiegen erreichbar. Herr Buschhüter konnte die Verärgerung über die Unzuverlässigkeit nachvollziehen. Er wohnt am anderen Ende der Metrolinie 16 in Rahlstedt und kennt die Probleme sehr gut. Er kündigt an, dass in 1 – 2 Jahren eine weitere Linie bis zum Osdorfer Born eingerichtet werden soll, namentlich die X22 Richtung Kellinghusenstraße. Sowohl Herr Buschhüter als auch Herr Sülberg verneinten, dass die Bewohnerinnen und Bewohner des Osdorfer Born nicht von dem Hochleistungsbussystem profitieren würden. Auf die Einwände, dass dafür Umstiege notwendig seien und wo die wohl günstig liegen könnten, gingen beide Herren nicht ein.
Das angekündigte Hochleistungsbussystem wirft noch weitere Fragen auf. So wünschen sich Bürger auch mit Verweis auf praktische Beispiele aus Frankreich, deutlich mutigere und umfassendere Planungen durch Einbeziehung weiterer Magistralen (z.B. neben der StreBaLu ebenfalls die B431 in Altona) zu machen. Frau Sudmann unterstützt diesen Wunsch auf weitere Magistralen ausdrücklich.
Ein weiterer Einwand ist, dass die geplante Trasse des Hochleistungsbusses entlang der StreBaLu wahrscheinlich kurz nach deren Fertigstellung gleich wieder eingestellt werden müsste: Das mehrstöckig geplante, hochkomplexe VET-Abzweigbauwerk soll in offener Bauweise am Kaltenkircher Platz, also in direkter Nachbarschaft zur StreBaLu, entstehen. Frau Sudmann ergänzte dazu noch die Planungen zur Neukonstruktion der Sternbrücke samt Quartier an der Stresemannstraße/Kreuzung Max-Brauer-Allee. Allein mit diesen beiden Großbaustellen, aber auch den für die Linie S6 geplanten, in offener Bauweise an der StreBaLu zu errichtenden Bahnhöfen am Bornkampsweg und der Ruhrstraßen wird eine jahrelange Unterbrechung der Hochleistungsbustrasse befürchtet. Weder Herr Buschhüter noch Herr Sülberg gingen auf diese Befürchtungen ein.
Aus dem Kreis der Bürgerinnen und Bürger wurde dann noch der Wunsch geäußert, unverzüglich auf der StreBaLu mit einer Pop-Up-Busspur zu beginnen, um schnellstmöglich kurzfristige Verbesserungen zu erreichen. Die Reaktion der beiden Politiker der Regierungsparteien war sehr zurückhaltend: es wären keine Pop-Up-Busspuren Mittellage sondern aufgrund der Haltenstellen nur in Außenlage möglich. Fehlende Ampelvorrangschaltung würden damit die beabsichtigte Busbeschleunigung marginalisieren. Das Publikum brachte daraufhin mit starkem Applaus zum Ausdruck, dass es mit den Pop-Up-Busspuren jetzt schnelles Handeln der Politik nach all den Jahren der erfahrenen und erneuten Vertröstungen zum S-Bahn-Anschluss erwarten würde.
Kurz aufhorchen ließ eine Idee von Herrn Buschhüter, die S-Bahn-Strecke zum Born über die bestehende Station Bahrenfeld ins Hamburger Netz einzufädeln. Das würde einen Anschluss an Altona und eine Redundanz für Störungen im VET oder im City-Tunnel bieten. Ergänzend würde sich eine Unabhängigkeit zum Bau des VET ergeben – es könnte sofort gestartet werden. Auf die Nachfrage, wie eine solche Idee unterstützt werden könnte, relativierte er mit Verweis auf die ablehnende Haltung der Verkehrsbehörde die Umsetzungsmöglichkeit seiner Idee leider wieder.
Herr Sülberg weist darauf hin, dass in Altona über Jahre viele Großprojekte mit entsprechenden Baustellen realisiert werden würden, u.a. Umbau Bahnhof Diebsteich, Verbindungsbahnentlastungstunnel, Fernwärmetunnel, A7-Deckel, U5 zu den Arenen, die eine herausfordernde Baustellenkoordination, auch für den ÖPNV, bedeuten würde.
In der Abschlussrunde geben alle Diskutanten im Podium noch eine kurze Erklärung ab. Allen gemeinsam ist, dass es eine (schnelle) Lösung braucht. Herr Buschhüter und Herr Sülberg verweisen noch einmal auf das Hochleistungsbussystem als gute Lösung. Herr Hinkelmann wünscht sich von der Politik mehr Mut zum Ausprobieren und weniger lange und umfassende Planungszeiten Die bislang in Hamburg praktizierten mehrjährig andauernden 120 Prozent-Planungen würden bei deren Veröffentlichtung bereits von der Realität überholt sein. Darin wurde er von Frau Sudmann und Herrn Beeck unterstützt, die noch einmal insbesondere die Pop-up-Busspuren auf der StreBaLu, aber auch auf der Osdorfer Landstraße hervor heben. Die Herren Buschhüter und Sülberg nehmen diesen vom Publikum geäußerten Wunsch nach „Butter bei die Fische“ und einem „Einfach mal machen“ mit und fordern im Gegenzug vom Auditorium bei etwaigen Schnellplanungen Toleranz für potentiell auftretende Planungsfehler ein. Diese Forderung wurde vom Auditorium mit lautem Klatschen ausdrücklich bestätigt.
Mein Fazit:
Es war ein interessanter Abend. Leider hat er jedoch keinen Mut gemacht, dass es eine verbindliche und zügige Umsetzung des Schienenanschlusses geben wird. Darum bleiben wir von Starten:Bahn West! dran.